Richard Wossidlo

Wossidlo als junger Oberlehrer in Waren
Unterschrift in einem Brief an Gosselck
Richard Wossidlo als Feldforscher in Wismar
Richard Wossidlo in seiner Bibliothek

Richard Wossidlo Prof. Dr. h.c. Richard Wossidlo (1859-1939) gilt als Begründer der Volkskunde Mecklenburgs, als einer der „Väter“ der deutschsprachigen Volkskunde und als einer der bedeutsamsten Feldforscher der Europäischen Ethnologie.

Nach dem Abitur an der Großen Stadtschule in Rostock im Jahre 1876 studierte er bis 1883 Klassische Philologie in Rostock, Leipzig und Berlin. Ohne seine Dissertation zu beenden, wählte er das höhere Lehramt und wirkte von 1886 bis 1922 als Latein- und Griechischlehrer am Gymnasium in Waren.

Seine eigentliche Profession aber galt der volkskundlichen Sammlung und Forschung, die er leidenschaftlich über ein halbes Jahrhundert als "Privatgelehrter" mit vielen Helfern betrieb und für die er sein Vermögen opferte.

Wossidlos Arbeitsstätte, zuletzt im „Weinbergschloss“ in Waren, glich einem etablierten Forschungsinstitut, dessen Forschungsmittel noch heute zur Grundsubstanz des Instituts für Volkskunde zählen.

Von 1883 bis 1939 bereiste Wossidlo buchstäblich jeden Ort Mecklenburgs, und zwar teils mehrfach, um das kulturelle Wissen seiner Landsleute aufzuzeichnen. Hierfür notierte er in der Mundart auf handtellergroßen Zetteln, gelegentlich beschrieb er sogar seine Manschetten. Daneben zog er die damals erreichbare Fachliteratur aus, um seine empirischen Befunde einordnen und überregional vergleichen zu können.

Ausgangspunkt der Sammeltätigkeit Wossidlos war die Synonymik der niederdeutschen Sprache, wie im Bereich des Naturlebens. So schuf Wossidlo zugleich die Basis für das siebenbändige „Mecklenburgische Wörterbuch“, dessen Quellenbelege und Forschungsmaterialien ebenfalls von der Einrichtung betreut werden.

Schon bald nahm Wossidlo die Gattungen der Volkserzählung hinzu, erfasste die Vielfalt der Bräuche, Volkslieder und Kinderspiele, sammelte Flurnamen, notierte sich die Erscheinungsformen des Volksglaubens und der Volksmedizin, beschrieb Nahrungs-, Kleidungs- und Wohnformen, das Arbeitsleben und Arbeitsgerät der Bauern, Tagelöhner, Handwerker, Fischer und Seeleute bis hin zu ungeformten Äußerungen aus allen Bereichen des Alltagslebens. Zusammengekommen sind schließlich zwei Millionen Belegzettel (siehe auch Wossidlo-Nachlass). Nimmt man seine sprachlichen Sammelbefunde hinzu, so erfaßte Wossidlo die Kultur und Lebensweise der Mecklenburger in einer für andere Landschaften ungewöhnlichen Breite und Dichte. Seine Sammlung gilt noch heute als verhältnismäßig authentisch, hält also auch quellenkritischen Maßstäben weitgehend stand.

Seit 1900 trug Wossidlo auch Zeugnisse der materiellen Volkskultur, wie Trachten, Arbeits- und Haushaltsgeräte, und zwar vornehmlich unter dem Aspekt der Volkskunst, zusammen. Er verkaufte seine Sammlung 1912 dem Land, die erst 1936 als "Mecklenburgisches Bauernmuseum Wossidlo-Sammlung" am bedeutungsvollen Ort des Schweriner Schlosses an die Öffentlichkeit gelangte. Sie bildet noch heute den Grundstock des Inventars des Volkskundemuseums in Schwerin-Mueß. Auch andere volkskundliche Museen und Heimatstuben Mecklenburgs gehen auf Wossidlo oder seine von ihm beeinflußten Helfer zurück.

Für seine „Mecklenburgischen Volksüberlieferungen“ wurde Wossidlo 1906 mit der Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock ausgezeichnet. Eine ihm 1919 angetragene Professur für Niederdeutsch und Volkskunde lehnte er ab. 1929 wurde eine „Wossidlo-Stiftung“ gegründet (siehe Geschichte der Einrichtung). Den Mecklenburgern wurde Wossidlo neben Fritz Reuter zu einer die Landeskultur bewahrenden Symbolgestalt.

Über volkskundliche Belange hinaus dokumentiert Wossidlos Werk die Akribie und den Fleiss motivbezogener philologischer Arbeitsweise, wie sie für das 19. Jahrhundert typisch ist. Proben dieses Schaffens werden in gesonderten Führungen und Ausstellungen gezeigt.