„Wossidlo-Teuchert“ online Publikation des Mecklenburgischen Wörterbuchs im Trierer Wörterbuchnetz und korpusbasierte bidirektionale Verknüpfung mit der digitalen Forschungsumgebung „WossiDiA“ (2022-2024)

In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt „Wossidlo-Teuchert online“ wird Mecklenburgische Wörterbuch digitalisiert und mit den lexikographischen Quellen und Materialien für den niederdeutschen Sprachraum verknüpft.

Das Mecklenburgische Wörterbuch (MeckWb) stellt den wichtigsten Zugang zum Wortschatz der mecklenburgischen Mundart dar und zählt zu den großlandschaftlichen wissenschaftlichen Dialektwörterbüchern. Mit Hilfe eines neuen Ansatzes der digitalen Lexikografie soll die Verknüpfung eines Wörterbuches mit seinem volkskundlichen, agrar- und sozialgeschichtlichen Quellenmaterial des Wossidlo-Archivs (WossiDiA, www.wossidia.de) digital umgesetzt werden. Damit wird für den niederdeutschen Sprachraum ein zentrales Dialektwörterbuch digital zugänglich gemacht und durch die spätere Integration ins Wörterbuchnetz eine übergreifende Recherche für Fachwissenschaftler:innen und die breite Öffentlichkeit möglich.

Transatlantisches Projekt "ISEBEL" (2017-2019)

ISEBEL ist die Abkürzung für den englischsprachigen Projekttitel: Intelligent Search Engine for Belief Legends. Es handelt sich um ein wegweisendes internationales Forschungsprojekt im Bereich der e-Humanities auf dem innovativen Spezialgebiet der Computational Folkloristics. Ziel des Forschungsprojekts ist es, bereits bestehende oder im fortgeschrittenen Aufbau befindliche digitale Erzählarchive international zu vernetzen, um Forschungsfragen vergleichend mit modernsten Forschungsmethoden auswerten zu können. Mittelfristig ist der Anschluss digitaler Erzählarchive auch anderer Länder in Sicht. Eingeworben wurde das Projekt auf der transatlantischen Plattform "Digging into Data Challenge". Sie stellt einen Zusammenschluss von Forschungsförderern in Amerika und Europa dar, die transatlantische Projekte in den Sozial- und Geisteswissenschaften unterstützen. Der deutsche Partner dieser Initiative ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). In dem Projekt arbeiten das Meertens-Instituut in Amsterdam (als hostende Einrichtung), die University of California in Los Angeles sowie das Institut für Volkskunde und das Institut für Informatik der Universität Rostock zusammen, um zunächst historische Glaubenssagen ("belief legends") und ihre Mutationen in der Gegenwart, besonders dem Internet, zu erforschen. Näheres lesen sie hier

DFG-Projekt "WossiDiA" (2010-2014)

WossiDiA (Wossidlo Digital Archive) bezeichnet das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft/LIS (Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme) und dem BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) von 2010 bis 2014 geförderte Projekt, die sehr umfangreiche wie aussagefähige volkskundliche Sammlung Richard Wossidlos in ein Digitales Archiv zu überführen. Ins Netz wurden über zwei Millionen, zumeist handschriftliche Dokumente gestellt, die mit Hilfe der Technik sog. Hypergraphen in ihrem Beziehungsreichtum abgebildet werden können. Die Digitalisate wurden mit Hilife des BBK auf langzeitlagerfähigen Film ausbelichtet und im Barbara-Stollen, dem Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik zur Lagerung verfilmter Archivdokumente mit hoher national- und kulturhistorischer Bedeutung, eingelagert. Die Erschließungsarbeiten werden derzeit mit dem neuen digitalen Werkzeug fortgesetzt. Ebenso wird die Vernetzung mit im Aufbau befindlichen regionalethnographischen und regionalsprachlichen Spezialarchiven (aktuell über Ortschroniken und Flurnamen) fortgesetzt. In dem transatlantischen Projekt ISEBEL (2017-2019) werden die Erzählüberlieferungen des digitalen Archvis WossiDiA für die komparative, internationale Forschung aufbereitet. Dabei werden länderübergreifende Forschungsfragen auf der Markro- und Mikroebene entwickelt, die per Data Mining neue Sichtweisen und Lösungswege versprechen. Zur Projektgeschichte und den Zielen des digitalen Archivs WossiDiA siehe www.wossidia.de. Von dort gelangen Sie in die Applikation. Siehe auch den Konferenzband Corpora ethnographica online.

Geschichte ethnografischer Wissensproduktion in Mecklenburg

Die Phasen der Paradigmatisierung des Fachs Volkskunde wurden bislang mangels alternativer Quellen vorwiegend anhand des gedruckten Schrifttums der sogenannten Gründungsväter erhellt. Dies gilt besonders für die voruniversitäre, zwischen 1880 und 1919 währende erste Phase der Fachentstehung. Mecklenburg besitzt mit dem Nachlass Richard Wossidlos (1859-1939) ein nahezu vollständig erhaltenes Korpus, mit dem sich die bisherigen Annahmen – vor der relativierenden Folie der Sonderregion Mecklenburgs – empirisch eingehender überprüfen lassen. Querliegende Ansichten oder Zweifel einer entstehenden scientific community konturieren sich vielfach erst in autobiografischen Zeugnissen oder in brieflicher Kommunikation. Besonders in den Kulturwissenschaften sind Professionalisierungsschübe nicht nur Folge reifer werdender Methoden, sondern auch gesellschaftlich bedingt, was der pragmatisch orientierte Ansatz dieser Fachgeschichte aufzeigen will. Die epistemischen Bedingungen und die soziale Organisation einer erst werdenden, gesellschaftlich stark verankerten Wissenschaft werden dabei aus der vielversprechenden Sicht eines sowohl in akademischen wie in amateuristischen Netzwerken agierenden Privatgelehrten geschildert.

Schwerpunkte dieser Forschungsarbeit sind die Erhellung früher Feldforschungsstile; praxeologische Aspekte von Sammlungsarbeit; die Ontologie, Repräsentation und Zirkulation von Wissensbeständen; der Durchsetzungskampf einer zunächst als Hilfs- oder Heimatwissenschaft belächelten Disziplin u.a.m.

Das Projekt steht in enger Verbindung mit der Tiefenerschließung des sehr umfangreichen Nachlasses von Richard Wossidlo, der tiefe Einblicke in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs der werdenden europäisch-ethnologischen Disziplin offentbart.

Bisherige Veröffentlichungen zum wissens- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungsschwerpunkt:

  • Zettelwerkstatt. Feldforschungsbasierte Wissenszirkulation um 1900 und die Praxis papierner Gelehrtenmaschinen am Fallbeispiel des "Volksforschers" Richard Wossidlo. In: Volkskunde in Sachsen 27/2015, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. Dresden: Thelem 2015, S. 7-47.
  • Verführung durch Eleganz. Zum Denkstil der "Mythologischen Schule" am Beispiel der Publizistik des mecklenburgischen Archivars Wilhelm Gottlieb Beyer (1801-1881). In: Zimmermann, Harm-Peer (Hrsg.): Lust am Mythos. Kulturwissenschaftliche Neuzugänge zu einem populären Phänomen (Zürcher Schriften zur Erzählforschung und Narratologie [SZEN], Bd. 1). Marburg: Jonas 2015, S. 85-94.
  • Szenarien semantischer Vernetzung zwischen regionalethnographischen und dialektlexikographischen Korpora im Online-Projekt "WossiDiA". In: Bühler, Rudolf; Bürkle, Rebekka; Leonhardt, Nina Kim (Hg.): Sprachkultur - Regionalkultur. Neue Felder kulturwissenschaftlicher Dialektforschung (= Studien und Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, 49). Tübingen 2014, S. 255-286.
  • Vom Monument zum Dokument. Ein Erlebnis- und Werkstattbericht über die Entwicklung des Open-Access-Archivs WossiDiA. In TOP. Berichte der Gesellschaft für Volkskunde in Schleswig-Holstein 24 (2014), Nr. 47, S. 55-69. Auch abgedruckt in: Kieler Blätter zur Volkskunde 46 (2014), S. 187-201.
  • Der getreue Eckhart. Sammlermythen und ihre werbliche Funktion für die Bildung des narrativen Kulturerbes. In: Erzählungen als kulturelles Erbe - Das kulturelle Erbe als Erzählung. Beiträge der 6. Tagung der Kommission für Erzählforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde vom 1.-4. September 2010 im Universitätszentrum Obergurgl, hrsg. von Ingo Schneider und Valeska Flor (= Innsbrucker Schriften zur Europäischen Ethnologie und Kulturanalyse, 2). Münster/New York/München/Paris: Waxmann 2014, S. 161-178.
  • Helfer und Helden. Rollenverteilung und Rollenkonflikt in der volkskundlichen Wissensproduktion. In: Kultur_Kultur. Denken. Forschen. Darstellen. 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Tübingen, hg. von Reinhard Johler, Christian Marchetti, Bernhard Tschofen und Carmen Weith. Münster/New York/München/Berlin 2013, S. 444-453.
  • Körkwitz und das neue Leben des Richard Wossidlo. In: Margot Krempien (Hg.): Körkwitz. Chronik eines mecklenburgischen Dorfes am Ribnitzer See 1257-2012. Ribnitz-Damgarten: Demmler 2012, S. 23-33.
  • Volksbotanische Forschung in Mecklenburg. In: Querbeet, hg. von Volker Janke und Christoph Schmitt (= Muesser Blätter, 7). Schwerin 2012, S. 7-16.
  • Richard Wossidlo und die Genese der Volkskunde Mecklenburgs in ihrem Verhältnis zur Philologie. In: Wissen im Wandel. Disziplinengeschichte im 19. Jh. Referate der interdisziplinären Ringvorlesung des Arbeitskreises "Rostocker Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte" im Wintersemester 2007/08, hg. von Gisela Boeck und Hans-Uwe Lammel (= Rostocker Studien zur Universitätsgeschichte, Bd. 12). Rostock 2011, S. 77-104.
  • Die Heimatbewegung in Mecklenburg unter dem Aspekt der Generierung und Transformatoin volkskundlichen Wissens. In: Stadt - Land - Universität. Historische Lebensräume von Ständen, Schichten und Personen, hg. von Ernst Münch, Mario Niemann und Wolfgang E. Wagner. Hamburg 2010, S. 353-376.
  • Von der Volkskultursammlung zur Produktion von Kulturerbe. Das Beispiel Mecklenburg. In: Matkalla, hrsg. von Helena Ruotsala, Petri Saarikoski und Maija Santikko. Pori 2009, S. 47-73.
  • Wossidlo, Richard. In: Encyclopedia of Folktales and Fairy Tales, ed. by Donald Haase. Greenwood. Vol. 3. Westport (Conn.)/London 2008, p. 1043-1044.
  • Lehnstuhlgelehrte, „Dilettanten“ und forschende Sammler. Zur Entwicklung der Feldforschung in der niederdeutschen Volkskunde. In: Paul Selk zu Ehren, hg. im Auftrag des Heimatvereins der Landschaft Angeln von Bernhard Asmussen, Gundula Hubrich-Messow, Alfred Lorenzen und Ulrich Wilkens. Husum 2007, S. 29-31, 36-50, 59-62.
  • Virtuelle Zettelkastensysteme der frühen Volkskunde am Beispiel der Sammlung Richard Wossidlos. In: Volkskundliche Großprojekte. Ihre Geschichte und Zukunft. Hochschultagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde vom 7. bis 9. November 2002 in Rostock, hg. von Christoph Schmitt. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann 2005 (= Rostocker Beiträge zur Volkskunde und Kulturgeschichte; 2), S. 99-114.
  • Mecklenburgs Übergang zur „Volkskunde des Neubeginns“. Regionalethnografie im Kontext der Kulturpolitik der SBZ/DDR unter besonderer Berücksichtigung des Flüchtlingsproblems. In: Fremde im Land. Aspekte zur kulturellen Integration von Umsiedlern in Mecklenburg und Vorpommern 1945 bis 1953. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann 2006 (Rostocker Studien zur Volkskunde und Kulturgeschichte; 4), S. 123-166.
  • Volkskundler im frühen Rundfunk. Zur Regionalisierung des Hörfunks im „Niederdeutschen Sendebezirk“ (1924-1932). In: Leben - Erzählen. Beiträge zur Erzähl- und Biographieforschung. Festschrift für Albrecht Lehmann, hg. von Thomas Hengartner und Brigitta Schmidt-Lauber. Dietrich Reimer Verlag: Berlin/Hamburg 2004, S. 429-460.
  • „Archäologische“ Sagenforschung und „sagenhafte“ Archäologie auf der Suche nach slawisch-deutschen Kulturkontakten. In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 51 (2003), S. 243-264.
  • Verführte Wissenschaft? Die mecklenburgische Volkskunde in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung der Sagenedition Richard Wossidlos. In: Literatur und Literaturpolitik im Dritten Reich. Der Doberaner Dichtertag (1936-1943), hg. von Reinhard Rösler und Monika Schürmann. Rostock: Ingo Koch 2003, S. 173-209.
  • Tradition als Medium regionaler Identität. Formen des Brauchfolklorismus in Mecklenburg. In: Europäische Regionalkulturen im Vergleich, hg. von Eva Leitzke-Ungerer und Andrea Pagni. Frankfurt a. M. u.a. Peter Lang 2002 (= Rostocker Romanistische Arbeiten; 6), S. 165-192.
  • Netzwerke volkskundlicher Kommunikation in Mecklenburg bis 1939. Zur Rekontextualisierung von Wissenschaft im „Medienverbund“. In: Zur Geschichte der Volkskunde. Personen – Programme – Positionen, hg. von Michael Simon und Monika Kania-Schütz. Dresden 2002 (= Volkskunde in Sachsen, H. 13/14), S. 203-222.
  • Zur Wiederverzahnung der Quellen des Mecklenburgischen Wörterbuchs mit den „Urbelegen“ Richard Wossidlos. In: Stier und Greif. Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern 11 (2001), S.162-167.
  • Die Landesstelle des „Atlas der deutschen Volkskunde“ in Mecklenburg (1929-1945). Projektgeschichte und Quellenwert einer Massenbefragung. In: Stier und Greif. Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern 10 (2000), S. 131-139.
  • Geschlechtstypische Aspekte in Aufnahme- und Darstellungsstrategien volkskundlicher Sammlungen am Beispiel des Wossidlo-Nachlasses. In: Männlich. Weiblich. Zur Bedeutung der Kategorie Geschlecht in der Kultur. 31. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, hg. von Christel Köhle-Hezinger, Martin Scharfe und Rolf Wilhelm Brednich. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann 1999, S. 256-270.